Bereits letzte Woche machten sich die französischen Schüler auf den Weg in die Schule, denn die sogenannten « grandes vacances », diese 2 schönen Monate Sommerferien sind traditionnel am 1. September vorbei.
Hier in Süddeutschland genießen die Kinder ihre letzten Ferientage vor dem Schuljahresbeginn. Mit großem Staunen stelle ich fest, wie die Einschulung für die 6- oder 7-Jährigen großartig durchgeführt wird. Von Schultüten hatte ich vorher nichts gehört…
Warum haben wir Franzosen keine Schultüte ? Und warum machen wir nicht so viel Wind um die Einschulung ?
Heute bringe ich euch ein paar Erläuterungen über das französische Schulsystem.
Die Schule fängt schon mit 3 an !
Ab 3 Jahre dürfen die Kleinkinder stolz in die Ecole maternelle gehen. Im Vergleich zum Kindergarten, gehört diese Vorschule zum Schulsystem und daher zur « éducation nationale » (nationales Bildungswesen). Es gibt einen Stundenplan, ein Lernprogramm und Unterrichtsfächer, Hausaufgaben dagegen noch nicht 😉 Ouf ! Staatlich wird bestimmt, was die Kinder lernen sollen : unter anderem Buchstaben und Zahlen. Es werden ähnlichen Aktivitäten wie im deutschen Kindergarten durchgeführt, Malen, Basteln, Spielen, Singen… So schrecklich ist es doch nicht 🙂 Es geht aber weniger um die Kreativität sondern um Techniken lernen, Regeln verstehen und die Gemeinschaft erleben.
Weniger verschont sind die französischen kleinen Schüler, dafür kommen sie aber leichter in der Grundschule klar.
Die stattliche Ecole maternelle ist für die Eltern kostenlos. Obwohl sie freiwillig ist, besuchen sie fast 100% der Kinder zwischen 3 und 6 Jahren. Sie ist positiv angesehen und die Eltern freuen sich über eine tägliche Betreuung, von ca. 8h30 bis 16h.
Ab 6 wird’s ernst !
Ab 6 Jahre gehen die Kinder (pflichtig) in die Grundschule oder Ecole primaire. Oft bleiben sie in der selben Schule, wo sie bisher waren, nur diesmal « chez les grands » (bei den Großen). Der großte Unterschied liegt daran, dass sie jetzt Hausaufgabe bekommen, und zwar schon am ersten Tag ! Sonst wären sie fast enttäuscht 😉 Ganz stolz sind die meisten, aufgeregt auch, aber ängstlich eher nicht.
Dann geht es für 4 Jahren aufs Collège, mit dem Ablschluss « brevet des collèges » am Ende der 9. Klasse.
In den 3 nächsten Jahren besucht die Mehrheit das Lycée (Gymnasium), entweder allgemein oder fachspezifisch, bis zum « Baccalauréat », das französische Abitur. 2008 schlossen 64% einer Generation das « bac » ab.
Wird am ersten Schultag gefeiert ?
Wie in Deutschland eher nicht. Jedoch ist der erste Schultag sehr wichtig, besonders wenn das Kind zum ersten Mal die Ecole maternelle, Ecole Primaire oder Collège besucht. Die Eltern bringen an dem Tag traditionnel ihre Kinder zur Schule und begleiten sie in der Suche des neuen Klassenlehres und der Freunden.
Die Schüler sind darüber gespannt, die Freunde wieder zu treffen, die neue Klasse zu entdecken, den neuen Stundenplan…
In Ecole Maternelle gibt es keine Eingewöhnung, was sich für einige Kinder manchmal brutal fühlt… Das hat damit zu tun, dass die meisten vorher schon seit Babyalter in Fremdbetreuung waren und diese Trennung-Situation kennen. Viele französische Mütter arbeiten nämlich schon 3 Monaten nach der Geburt wieder.
Der Wahnsinn des Einkaufens für den Schulanfang (les courses de rentrée)
Der erste Schultag ist zwar nicht extrem erschütternd, doch die Wochen zuvor sind mit dem ganzen Schuleinkauf nicht ohne ! In Supermarchés und Hypermarchés laufen Eltern und aufgeregte Kinder rum, um die sehr spezifische Schulanfangsliste zu sammeln. Die Suche nach der verlangten Form, Größe, Farbe oder sogar Marke vom Schulmaterial kann recht anstrengend werden.
Für die Familien mit geringem Einkommen, unterstützt der Staat diese Einkäufe durch eine « allocation de rentrée » von ca. 350-400 €
Ist ein Schulsystem besser als das Andere?
Für mich ist es nicht so klar, ob die französische Schule besser oder schlechter als die deutsche Schule ist. Ich sehe Vor- und Nachteile in beiden Systemen. Als Kind habe ich die Schule in Frankreich gemocht. Unser Sohn wird irgendwann seine deutsche Schultüte bekommen und das finde ich auch ganz okay.
Habt ihr da Erfahrungen ? Was meint ihr ?
Nina meint
Moi je suis rentrée à la grande école ! „Grande“ étant le mot approprié : en fait je suis sur deux écoles de 11 classes chacune… Et ben, c’est chouette mais c’est pas simple non plus ! Heureusement que ta p’tite soeur m’aide et me conseille 🙂
Noch eine Bemerkung über die Schulsysteme: Wir sprachen heute Mittag mit Kolleginnen über den GROßEN Unterschied der Verantwortung der Eltern/der LehrerInnen. In Frankreich sind die LehrerInnen verantwortlich für die Sicherheit und Gesundheit des Kindes während der Schulzeit, und nicht die Eltern… Der Unterschied hat einen riesigen Einfluss auf die Art und Weise, wie die LehrerInnen die Kinder in der Schule behandeln: Ich fühle mich immer so schuldig, wenn einer einem Anderen Weh tut oder so… Dieses Gefühl hat man in Deutschland nicht, und die LehrerInnen sind (finde ich) oft entspannter…
Wenn die Kochtöpfe reden meint
Das ist aber für euch französische Lehrer fies!
2 grosse Schulen… das ist nicht ohne. Dafür schicke ich dir ganz viel Mut 😀 Bises
streepie meint
Oh, la rentrée – den haben wir dieses Jahr wieder gut überstanden, mit dem Eintritt in die CE2 (ouf, plus stricte que le CE1, plus des devoirs). Bei uns in der Schule ist am 1. Schultag grosse Bastel- und Malaktion, da die Kinder die Dekoration für das Abendessen anlässlich des St Gilles machen. Den grossen Einkauf auch – und Tochter war die einzige in der Klasse, die das richtige Geodreieck (Equerre) hatte ;-). Dafür hatten wir nicht die richtige Pochette….
Für deutsche Kinder fängt „der Ernst des Lebens“ mit dem 1. Schultag in der 1. Klasse an, ich fand es gut, dass sich meine in der Ecole Maternelle schon gut daran gewöhnen konnte, wie Schule so geht. Das ist (laut meiner Schwiegermama, die deutsche Grundschullehrerin war), das grösste Problem der meisten Erstklässler – sie müssen neben dem ganzen Lehrstoff auch noch lernen, wie man sich in der Schule verhält.
Und den Einstieg in die PS haben wir gut gemeistert – meiner Tochter gefiel es in der Ecole Maternelle besser als bei der Tagesmutter 😉
Wenn die Kochtöpfe reden meint
Ihr habt schon einiges erlebt! Wir sind noch nicht soweit… Ah la fameuse équerre, ça me rappelle des choses! Danke für deinen ausführlichen Beitrag Connie. LG